Antagonisten am Start

Shownotes

Wer sind eigentlich die Antagonisten, die Gegenspieler, beim Feiern von Festen? Bei der Entscheidung alles stehen und liegen zu lassen und Gemeinsamzeit möglich zu machen?

Meine innere Gastgeberin ist ziemlich impulsiv. Sie spricht Einladungen aus, bevor sie das Dafür und Dagegen wirklich abgewogen hat. Tja, und dann können die Antagonisten zetern und wüten, die Gastgeberin stellt sich stur, findet oft - nicht immer - einen Weg die angedachte Einladung um zu setzen.

Pünktlich zwei Stunden bevor die Party beginnt stolpert mir die Panik in die Küche: "Nix ist fertig! Und es gibt viel zu wenig zu Essen!" Die Organisatorin erinnert mich an die Platten und den Suppentopf am Balkon, die Schale mit Gebäck neben dem Brotkorb, das Eingemachte. Egal, ich beschließe beim türkischen Bäcker zwei Brote mehr zu kaufen, auch wenn wir diese die nächste Tage dann mal wieder selber essen werden.

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Antagonisten am Start

und warum das Fest dann doch vorbereitet ist

Wer sind eigentlich die Antagonisten, die Gegenspieler, beim Feiern von Festen? Bei der Entscheidung alles stehen und liegen zu lassen und Gemeinsamzeit möglich zu machen?

Vermutlich bin ich nicht die richtige Person, um das zu beantworten: Meine innere Gastgeberin ist ziemlich impulsiv. Sie spricht Einladungen aus, bevor sie das Dafür und Dagegen wirklich abgewogen hat. Tja, und dann können die Antagonisten zetern und wüten, die Gastgeberin stellt sich stur, findet oft - nicht immer - einen Weg die angedachte Einladung um zu setzen.

Die Antagonisten sind deswegen nicht still: "Wie es hier aussieht!" zetert die Putzfee. "So kannst du doch UNMÖGLICH jemanden in die Wohnung lassen." Ich blicke von der Eingangstür in einen voll gestellten Flur, denke an die Wäscheberge und gebe ihr insgeheim Recht. Missmutig beginne ich mit Abspülen, denn ohne Platz und saubere Töpfe kann ich ja nicht mit Kochen beginnen. Zwischendurch packe ich eine erste Waschmaschine voll. Bis zur Feier sind ja noch drei Tage, da wird die Wäsche schon noch trocknen.

Doch lange hält der Putzeifer nicht an, schließlich will die Essensplanung gemacht werden. Also ein Blick in den Kühlschrank, was ist noch da? Die Putzfee rümpft die Nase enthält sich aber eines Kommentars, ich habe sie schon verstanden und räume seufzend das Gemüsefach aus. Ich muss schließlich Platz schaffen, damit die Speisen für die Party überhaupt reinpassen. Nach zwei Fächern Kühlschrank putzen langt es mir. Ich wechsle nochmals die Wäsche, packe einen Block und ziehe mich auf den sonnigen, aber kalten Schulhof zurück. Planen steht an, sonst wird das nichts. Die Organisatorin hat sich dazugesetzt und grummelt "wurde ja auch Zeit, wir brauchen aber nicht nur einen Essensplan, sondern auch einen Zeitplan, sonst kriegt dich die Putzfee wieder rum und am Ende ist nichts fertig gekocht!".

Also atme ich dreimal tief durch, wir einigen uns ziemlich schnell auf die Hauptgerichte und die vielen kleinen Speisen, die ich noch dazu machen will. Die Experimentierfreude bringt noch zwei Gerichte ins Spiel, die ich schon lange mal ausprobieren wollte, die aber bei meiner Familie auf wenig Begeisterung gestoßen wären: Rotebeetsalat nach Ottolinghi und eine Suppe. Die Liste wird lang und länger, ich habe den wachsenden Unmut der Organisatorin schon länger bemerkt, aber im Gespräch mit der Genussabteilung und der Experimentierfreude ignoriert. "Und wann willst du das alles machen?" bringt mich die Organisatorin schließlich auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich wusste, dass diese Frage kommt, habe also sicherheitshalber meine Agenda mitgebracht. Also erst mal die sonstigen Termine eintragen, das Leben besteht ja nicht nur aus Festvorbereitung. Um meine Pläne nicht gleich wieder von der Putzfee untergraben zu wissen, tragen wir auch noch die größeren anstehenden Putzaufgaben ein. Der Plan ist ziemlich voll, auch schon ohne Kochen. Also beginne ich eine zweite Liste mit den Aufgaben für meinen Mann, mitgehangen - mitgefangen. Die Sonne hat sich hinter die Wolken verzogen, mir ist kalt. Die Grobplanung steht, für die Einkaufslisten brauch ich eh die Rezepte. Ich gehe zurück in die Wohnung und bald darauf meine Tochter abholen.

Die Tage vergehen, wir räumen auf, ich koche und putze. Die Einkaufsliste ist lange geworden, nach und nach schleppen wir Essen an. Der innere Sparfuchs beginnt wegen einem halbmeterlangen Einkaufszettel zu lamentieren. Ich höre ihm ein bisschen zu, während ich die Rote Beete in dünne Schnitze schneide, denke mehr an die entstehende Gewürzmischung als an seine hanebüchenen Hochrechnungen. Eigentlich will ich gar nicht so genau wissen, was die Feier kostet, ein Fest ist ein Fest.

Irgendwann zieht sich der Sparfuchs schmollend zurück, ich lasse ihn schmollen. Hätte er mal einen Blick auf die Menüliste geworfen, würde er sehen, dass ich sehr wohl weiss, dass ich derzeit mehr Zeit als Geld habe. Entsprechend koche ich mit einfachen Zutaten aufwendig. Also gibt also selbstgebackenes Sauerteigbrot und günstiges, aber frisches Fladenbrot aus der türkischen Bäckerei ums Eck, statt Gekauftes vom Biobäcker.

Hilfreich sind diesbezüglich auch die jährlichen Weinlieferungen vom Winzer: das Auswählen macht Freude, wir müssen nicht selber schleppen und das Zahlen der Rechnung tut nur einmal weh. Ich muss beim Einkauf vor Einladungen nicht überlegen, was der Wein denn gerade kosten darf. Stattdessen hole ich die passenden Flaschen aus der weinroten Kommode am Eingang und freue mich, wenn ich die Wochen nach der Party - mal mit anderen Gästen, mal alleine - die leckeren Weine und Spirituosen austrinken darf, die vor allem mein Mann geschenkt bekommt.

Doch erstmal muss die Putzfee zufriedengestellt werden. Ich nehme also den Flur in Angriff. Die Gäste brauchen schließlich irgendwo Platz um ihre Schuhe, Taschen und Jacken hinzulegen. Viel wird richtig aufgeräumt, wo dies zu lange dauert, siedle ich die Stapel ins Schlafzimmer um. Wissend, dass meine Tochter die Kinder der Gäste schnurstracks in dieses führen wird, da dort auch ihr Spielzimmer ist. Die Putzfee guckt missbilligend, ist aber froh, dass wenigstens der Flur nun etwas besser aussieht. Warum auch immer, unsere Gäste stehen bei Partys sehr gerne im Flur. Ob beim Kommen oder beim Gehen, auf dem Weg in die Küche oder ins Bad: hier trifft man sich. Mit den Stapeln im Schlafzimmer kann ich leben. Nichts kann uns leichter vom Feiern abhalten als das Bestehen auf Perfektion.

Eine ganz alte Freundin und begnadete Köchin, hat mir erzählt, dass sie im Studium öfters Partys gemacht haben, bei denen jeder etwas mitgebracht hat. Einfach, nett, unkompliziert. Jetzt seien die Einladungen in ihrem Umfeld so perfekt durchgeplant, dass sie selber keine Feste mehr macht. Bedauerlich, den sie ist eine großartige Gastgeberin. Ich lade mich jeweils selber ein, wenn ich in der Schweiz bin, und sie räumt sich, wo immer es geht, die Zeit in ihrem wirklich vollen Leben für ein Treffen frei. Manchmal treffen wir uns einfach kurz am See. Oder wir sitzen den ganzen Abend in ihrer kleinen Küche und essen Sauerteigbrot, mit selbstgemachten Aufstrichen und verkosten die Gartenerzeugnissen aus dem Familienbetrieb. Ich fühle mich bei ihr willkommen.

Lange Rede kurzer Sinn, die nächste Antagonistin fürs Feiern ist ertappt "Miss Perfektion". Mein Deal mit ihr: "Perfektion ja, aber ich entscheide wo!". So achte ich penibel darauf, dass auch bei einem normalen Mittagessen nichts am Esstisch liegt, was nichts mit dem Essen zu tun hat. Ein harter Kampf, ist der Esstisch dadurch oft der einzige freie Platz, wo sich mal eben schnell was hinlegen lässt. Wir sind im Haushalt drei Sammler, es fehlt aber jemand, der mit Freude und Leichtigkeit Dinge entsorgt. Die Putzfee nickt schicksalsergeben und deutet auf den Zeitungsstapel auf dem Küchenbuffet. Ich drehe mich zur köchelnden, nach Kreuzkümmel duftenden Kürbissuppe um und ignoriere geflissentlich auch den zweiten Zeitungsstapel, der direkt neben dem Esstisch am Boden liegt. Miss Perfektion, die Putzfee und ich wissen, dass beide Stapel bis zur Feier in 36 Stunden verschwunden sein werden. Am Buffet dürfen dann die Gerichte, das Geschirr und ein Blumenstrauß allen Raum einnehmen, eng genug wird es in der Küche sowieso.

Am nächsten Morgen will ich letzte Besorgungen machen, schon beim Läuten des Weckers höre ich das Prasseln von Wassertropfen auf dem Fensterbrett. Ich überlege, was ich meiner Tochter für den Weg zur Schule anziehe und bin heilfroh, dass mir ein mächtiger Antagonist für die Festorganisation dieses Mal nicht dazwischen funken kann: Der Wettergott. Ihm verdanke ich, vor allem aus meiner Zeit als Openairkino-Organisatorin, so manches graue Haar. Ganze graue Haarsträhnen! Doch es ist Winter, wir feiern in der Wohnung. Meine Gäste werden auch bei schlechtem Wetter bis zu uns finden. Bis wir gefrühstückt haben sind die Wolken schon weiter gezogen. Ich ziehe meiner Tochter eine Jacke mit Kapuze an, der Schulweg ist ja nicht weit.

Keine zwei Stunden später erreicht mich über die Schulapp die Nachricht, dass wegen Erziehermangel die Kinder schon nach dem Mittagessen abzuholen sind. Mal wieder. Ich seufze leise, die Putzfee mahnt, dass heute aber das Putzen der Böden dran sei. Das Wohnzimmer, das gestern auf der Liste stand, sieht auch bei weitem noch nicht festtauglich aus. Ich schiebe stillschweigend das Post-it mit der Aufgabe "Böden putzen" in die Nachtstunden. Dann läuft mir auch niemand über den noch nassen Boden, versuche ich mich zu trösten. Klammheimlich setze ich zwei der geplanten Gerichte auf die "wenn ich noch Zeit habe – Liste“. Am Nachmittag stehen also Hausaufgaben an, daneben räume ich die Küche auf, in der sich schon wieder das Geschirr türmt. Meine Tochter und mein Mann übernehmen das Wohnzimmer.

Am nächsten Morgen wache ich gerädert auf. Die Böden sind geputzt, das Tiramisu habe ich in der Nachtaktion auch noch fertig gekriegt. Dafür habe ich wenig geschlafen. Über dem Bett hängt in bleiernen Buchstaben die altbekannte Frage "Warum tu ich mir das eigentlich an?". Ich drehe mich nochmal um, ziehe die Decke über den Kopf. Da kommen laut schnatternd die Gastfreundschaft und die Organisatorin ins Zimmer. Die Gastfreundschaft macht das Licht an, und erzählt der Organisatorin aufgeregt, wer sich alles angemeldet hat. Das weiß diese natürlich bestens, hat sie doch die letzten Wochen die Anmeldungsliste aktualisiert. "...und wir werden heute den neuen Freund kennenlernen von ..." schnattert die Gastfreundschaft erfreut, die Organisatorin lässt sie schnattern, reicht mir die Hand und hilft mir aus dem Bett.

Pünktlich zwei Stunden bevor die Party beginnt stolpert mir die Panik in die Küche: "Nix ist fertig! Und es gibt viel zu wenig zu Essen!" Ich blicke in den Kühlschrank, da ist wirklich ziemlich wenig Essen für 24 Personen! Die Organisatorin erinnert mich an die Platten und den Suppentopf am Balkon, die Schale mit Gebäck neben dem Brotkorb, das Eingemachte. Egal, ich schreibe meinem Mann ein paar Käsestücke extra auf die Einkaufsliste, er muss eh noch die letzten Sachen besorgen. Dann beschließe ich beim türkischen Bäcker zwei Brote mehr zu kaufen, auch wenn wir diese die nächste Tage dann mal wieder selber essen werden.

Ich ziehe meine Jacke an und gehe los. Die Kurz-Vor-der Party Panik ist mit mir nach draußen gekommen, sie kickt noch hektisch ein paar Dosen durch die Straße und verschwindet beim Gang durch die grauen, klammen Straßen. Einatmen, ausatmen, bald kommen die Gäste. Die Gastgeberin hakt sich stillvergnügt bei mir ein, und drückt mir den Arm.

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