Kuechengewirbel
Shownotes
Eine Tasse Gartenkräutertee, schon sitzen wir am Tisch und merken bald, dass der gemeinsame Moment nach einer Verlängerung ruft. Dabei kommt mir der verinnerlichte Kalenderspruch zu gute, der in der Küche meiner Kindheit hing – und da auch gelebt wurde:
FÜNF SIND GELADEN
ZEHN SIND GEKOMMEN
GIESS WASSER ZUR SUPPE
HEISS ALLE WILLKOMMEN
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Küchengewirbel
Ein Treffen auf der Straße wird in die warme Wohnung verschoben, die Kinder müssen beim Abholen noch ganz dringend etwas zu Ende spielen. Eine Tasse Gartenkräutertee, schon sitzen wir am Tisch und merken bald, dass der gemeinsame Moment nach einer Verlängerung ruft. Also springt mein Denkapparat an, und ich überlege wie das geplante – oder eher noch nicht geplante – Abendessen angereichert werden kann, so dass auch zwei oder drei Menschen mehr satt werden. Dabei kommt mir der verinnerlichte Kalenderspruch zu gute, der in der Küche meiner Kindheit hing – und da auch gelebt wurde:
FÜNF SIND GELADEN
ZEHN SIND GEKOMMEN
GIESS WASSER ZUR SUPPE
HEISS ALLE WILLKOMMEN
Natürlich kriegen die Gäste keine Wassersuppe, Bouillon gibt es im 21. Jahrhundert schließlich immer. Eine Gemüsesuppe kann sowohl mit ein paar Suppennudeln, gefrorenen Erbsen oder was der Kühlschrank sonst so zu bieten hat erweitert werden. Ein Stück Brot mit Käse dazu und alle werden satt. Muss die Suppe erst noch gekocht werden, schnippeln wir eben zusammen, und führen das begonnene Gespräch weiter.
Ist das Gemüsefach doch zu leer, oder das Brot altbacken, haben wir immer genügend Pasta im Küchenschrank und etliche Gläser Pesto, oft selbstgemachtes und immer gekauftes. Das mögen Kinder und essen auch Eltern, die nach einem langen Arbeitstag nicht wirklich Lust haben noch in der eigenen Küche zu stehen. Gerne machen wir beim Tischdecken schon mal eine Flasche Wein auf. Die Kinder spielen solange weiter. Bei einem solchen Abendessen steht nicht die Qualität des Essens im Mittelpunkt, sondern die Freude, dem immer zu dicht gepackten Alltag mal wieder „Gemeinsam-Zeit“ abgerungen zu haben.
Ganz anders sieht es in meiner Küche aus, wenn mal wieder richtig Kochen ansteht.
Die Vorbereitungen für ein klassischen Grünkohlessen, oder gar eine reichgedeckte georgische Tafel mit vielen verschiedenen Speisen brauchen Zeit. Also lade ich gleich eine größere Runde zum Essen ein. Zwei Tage vorher, beginne ich bei den Familienessen schon mit der Vorbereitung: von jeweils einem Gericht wird ein großer Topf gekocht. Den kleineren Teil essen wir gleich, der Rest wird für die Tafel kalt gestellt und muss kurz bevor meine Gäste kommen nur noch erwärmt werden. Gerade Eintöpfe und Fleischgerichte schmecken nach dem Aufwärmen erst richtig rund. Eingelegtes darf schon viel früher ins Glas und wochenlang durchziehen.
Am Einladungstag selber, stehe ich lange in der Küche. Die Gäste kommen, ich brutzle und erhitze, habe im letzten Moment der Zubereitung kaum Zeit für die Begrüßungen. „Hallo“, „kannst Du bitte noch Brot schneiden“. Endlich steht alles am Tisch, es darf getafelt werden. Bei einer georgischen Tafel schätze ich neben dem Geschmack, dass alle Gerichte gleichzeitig aufgetragen werden. Beginnt das Essen, bin ich erschöpft aber meist zufrieden und gerne richtig mit von der Partie. Nun möchte ich miterleben, wie gegessen wird und wie sich meine Gäste wohl fühlen. Selbst wenn sich manche erst an den ein oder anderen noch unbekannten Geschmack ran tasten müssen.
Nun bin ich Gast auf meinem eigenen Fest, nach der Arbeit kommt das Vergnügen.
Die Freunde wissen, wo sie die Getränke finden, oder sie bleiben nach der Wegbeschreibung durstig. Nun zählt für mich das Zusammensein. Für die Nachspeise und den Kaffee ist mein Mann zuständig, denn nach dem Essen erwischt mich die wohlverdiente Trägheit. Genug gewirbelt.
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